Durch die Diskussion auf Twitter um den Lehrplan an Gymnasien in Baden-Württemberg, Gespräche mit Kommilitonen und auch durch meine Eindrücke von dem, was Erstsemester-Studenten bei unseren Einführungsveranstaltungen berichten, habe ich mich immer wieder damit auseinander gesetzt, wie ich finde, dass Informatik an Schulen aussehen sollte und warum ich den bayerischen Status Quo nicht gut finde.
Für alle, die nicht aus Bayern kommen, ein kurzer Abriss, was derzeit an Gymnasien im besten Fall gelehrt wird. Sprich auf dem technischen Zweig und wenn entsprechende Lehrer vorhanden sind. In diesem Fall haben Schüler bis zur 12. Klasse Informatik und behandleln dort Objekt Orientierung, UML, SQL, Programmieren Java und machen Algorithmik bis hin zu den typischen Pfadalgorithmen wie Prim, Kruskal und Dijkstra. Damit haben sie, im Grunde alles behandelt, was im ersten Semester in Algorithmen und Datenstrukturen besprochen wird! Und dieses Fach ist ein Drittel des ersten Semesters. Das ist doch super! Mehr Zeit für anderen spannenden Stoff im Studium, oder?
Well, no.
Das ist das "Optimum". Das Minimum, selbst bei Studenten, die ihr Abitur auf einem bayerischen Gymnasium gemacht haben, sieht völlig anders aus. Abseits vom technischen Zweig ist Informatik in der Oberstufe kein Pflichtfach mehr und was in der Mittelstufe gemacht wurde, kann auch gerne mal eine Mischung aus Office-Klicken und Robot-Karol sein.
Ist also die Streuung das einzige Problem? Nein. Für die Streuung gäbe es naheliegende Optionen, dieses Problem zu verringern, zum Beispiel könnte das Informatik Studium mit Haskell als erste Programmiersprache starten, worin der überwiegende Teil der Studenten das gleiche Erfahrungslevel, keines, hat.
Bleibt aber die Frage: Muss Informatik an Gymnasien überhaupt auf das Studium vorbereiten und wenn nein, warum sollte es wichtig sein, Menschen programmieren beizubringen.
Ich glaube, auf dem Weg in eine immer weiter technisierte Welt gibt es viel wichtiger Dinge, welche Schulen vermitteln sollten, als programmieren! Ich habe die Argumente gehört, dass Programmieren ja zur Ermächtigung der Nutzer, weg vom reinen Konsumenten helfe und auch, dass Programmieren ja bei einem Verständnis von Computern helfen könne, ein Lernziel, welches mir selbst sehr am Herzen liegt. Aber ich bin nicht davon überzeugt. Meine 2,5 Jahre als Tutor in einer Informatik Vorlesung für andere Ingenieure spricht ein anderes Bild. Hier ist eine Auswahl von Menschen, welche die Schule schon hinter sich gelassen haben und sich für ein technisches Studium entschieden haben und noch nicht mal für diese führt programmieren zu lernen zu einem Verständnis von Computern. Wie soll das dann Jahre eher in der Schule klappen? Den gedanklichen Sprung von "Der doofe Computer macht nicht, was ich will" zu "Ich hab dem Computer das falsche gesagt und das hat er dann auch gemacht" schafft nicht mal die Hälfte dort.
Außerdem sollte der Informatikunterricht den Folgen von iPads und Co. entgegenwirken. Denn während ich zu meiner Schulzeit noch die Hoffnung hatte, dass technische Verständnis nachfolgender Generationen könnte besser werden, habe ich inzwischen den gegenteiligen Eindruck. Die Digital Natives sind am Ende doch nur iPad und Facebook Natives, weil die Computer, mit denen sie aufwachsen, ihre Technik viel zu gut verstecken und immer mehr zu schwarzen Boxen werden.
Um nicht nur Negatives und Probleme aufzuzählen, was würde ich nun in einen modernen Informatik Lehrplan packen? Also von mir aus, etwas Programmieren kann man ja machen, aber bitte mit der niedrigst möglichen Einstiegshürde und ohne diesen albernen Fokus auf Objektorientierung, die derzeit in Bayern schon irgendwo in der 7. Klasse eingeführt wird. Stattdessen eher Irgendeine Skriptsprache, mit der man auch interaktiv spielen kann beibringen. Viel wichtiger fände ich aber ein Verständnis von abstrakten Konzepten wie Berechenbarkeit und Verschlüsselung zu vermitteln. Bringt Leuten bei, dass ein Computer eben nicht alles kann! Und, macht Schülern klar, was die gesellschaftlichen Konsequenzen der Digitalen Welt sind, warum es so gut wie unmöglich ist, Dinge wieder aus dem Internet raus zu bekommen, selbst wenn es die Nacktfotos der 16. Jährigen Klassenkameradin sind, die sich doch nur für ihren Freund gemacht hat. Gute und richtige Schritte in diese Richtung gibt es, aber sie kommen aus keinem Kultusministerium, sondern aus der Aktion Chaos macht Schule des Chaos Computer Clubs.